Kannst du eine App-Idee patentieren lassen? Kannst du sie schützen und dafür sorgen, dass sie nicht geklaut wird? Und wie kannst du sicher gehen, dass dir bei der Suche nach Entwicklern nicht die Entwickler absagen, die App dann selber umsetzen und den großen Reibach machen?

Während diese Gedanken verständlich sind, ist es eigentlich auch schade, da es viele Leute davon abhält das Projekt anzugehen. Schade sage ich, weil so ja mit dieser Einstellung erst recht nichts passiert. Keiner setzt die Idee um, keiner verdient Geld und keinem Kunden ist geholfen. Also ist die Einstellung dahinter: „Entweder ich oder niemand“.

Wenn wir die Situation betrachten, dann gibt es zwei Seiten aus denen ich das Thema beleuchten kann:

  • Was kannst du tun, damit deine Idee nicht geklaut werden kann? Und hilft es dir wirklich weiter?
  • Sind wir Entwickler und Agenturen überhaupt daran interessiert Ideen der Kunden zu klauen?

Was kannst du selber tun?

Im Grunde gibt es zwei Sachen, die du theoretisch tun kannst. In der Praxis haben beide Varianten jedoch größere Haken. Fangen wir mal mit der offensichtlichen Variante an.

Patent anmelden

Das Patent ist das, was uns am ehesten in den Kopf kommt, wenn es darum geht Gedankengut zu schützen. Die Idee ist ja auch sehr verlockend. Du meldest das Patent an, setzt die Idee selber um und wenn irgendjemand anderes das ebenso macht, dann bekommst du auch dafür Geld. An dieser Stelle ist die Frage wie es denn mit dem Patentrecht aussieht. Kann man App-Ideen patentieren lassen?

Wie es nun mal mit dem Recht ist: Es ist kompliziert. Eine App-Idee alleine kann nicht patentiert werden. Auch ein gesamtes Stück Software (z. B. eben eine App) kann nicht patentiert werden. Was patentfähig ist, ist Software, die ein ganz bestimmtes und konkretes technisches Problem löst. D. h. konkrete Verfahren zur besseren Komprimierung von Daten oder zur Verschlüsselung oder für die bessere Erkennung von Objekten auf Bildern würden in diese Kategorie fallen. Eine App kann natürlich dann dieses Verfahren für die Funktionsweise benutzen. Das macht nur nicht die gesamte App patentfähig, sondern eben nur diesen Algorithmus.

Das heißt, dass du auch nur Lizenzgebühren für dein Patent verlangen kannst, wenn du nachweisen kannst, dass ein Mitbewerber genau dieses Verfahren in seiner Software verwendet. Das herauszufinden ist alleine ein Meisterstück und wie es nun mal so ist: Viele Wege führen nach Rom. Dein Konkurrent kann einfach ein anderes Verfahren benutzen um zu einem gleichen, ähnlichen oder besseren Ergebnis zu kommen.

Kurz zusammengefasst: Höchstwahrscheinlich kommt ein Patent für deine Anwendung nicht infrage. Und wenn doch, dann solltest du dich rechtlich beraten lassen, weil es wirklich ganz genau auf deinen speziellen Fall ankommt. Natürlich wird eine Rechtsberatung auch seine Kosten haben und eine potenzielle Anmeldung eines Patentes eben auch.

Falls dir das zu kostspielig ist, dann hilft vielleicht Variante Nummer 2.

Geheimhaltungsverträge, non disclosure agreements, NDAs

Mit dieser Variante könntest du sicher mit anderen Parteien ins Gespräch kommen. Dann könntest du auf Entwickler, Designer, Agenturen etc. hinzugehen und über dein Projekt reden unter der Voraussetzung, dass sie vorher einen Geheimhaltungsvertrag unterschreiben. Danach wären sie vertraglich gebunden die Details deiner Idee nicht nach außen zu geben.

Auch hier würde ich empfehlen einen Vertrag wasserdicht über eine Rechtsberatung erstellen zu lassen.

Über die Nützlichkeit so eines Vertrags lässt sich jedoch streiten. Der Vertrag nutzt dir ja nur, wenn dein Vertragspartner den Vertrag gebrochen hat und du das nachweisen kannst. Jetzt können aber auch andere Leute auf genau dieselbe Idee kommen wie du und zack bringt dir dein Vertrag auch nichts mehr. Am Ende vom Tag sind für diesen Anwendungszweck Geheimhaltungsverträge eher ein Werkzeug um dich selber zu beruhigen, nicht um dir im Ernstfall zu helfen.

Also sind auch NDAs sind keine sinnvolle Option. Jetzt aber mal eine Andere Frage an dich, damit du einen besseren Umgang mit der Situation bekommst:

Was ist deine Idee überhaupt wert? Und ist die Angst gerechtfertigt?

Aus irgendeinem Grund haben wir gerne die Vorstellung, dass unsere Idee wirklich viel Wert ist. Aber ist das so? Beziehungsweise steigern wir der Wert unserer Idee, wenn wir sie an uns klammern und geheim halten?

Ich sage: nein und nein. Eine Idee ist erstmal nur eine Idee.

Eine „gigantisch gute“ Idee kann unglaublich schlecht umgesetzt werden. Und macht keinen Gewinn.

Eine „schlechte“ Idee kann sehr gut umgesetzt und verdammt gut vermarktet werden. Und macht Gewinn.

Die Idee ist nicht alleine entscheidend. Es braucht mehr als das. Ja, eine gute Idee hilft enorm, aber wie weißt du, ob deine Idee überhaupt „gut“ ist?

Du weißt nur, ob du eine gute Idee hast, wenn du sie validiert hast

Das heißt, wenn du überprüft hast, dass deine Vermutungen stimmen. Wenn die Endkunden wirklich deine Lösung gut finden. Und wie findest du das raus? Na, indem du mit ihnen darüber redest. Das heißt, wenn du mit deiner Idee raus gehst, offen darüber redest, jede Chance nutzt, um neues Wissen aufzusaugen um deine Idee vielleicht noch besser zu machen.

Die Einstellung, dass deine Idee gigantisch gut ist, ist am Ende nur eine Vorstellung, die nicht überprüft wurde. Gewürzt mit (Entschuldigung für meine Anmaßung) Hochmut, dass kein anderer Mensch die Idee noch besser machen könnte. Also gibt es ein enorm hohes Risiko, dass du etwas bauen lässt, dass du zwar super findest, aber deine Kunden nicht.

Es kommt sogar noch besser. Die Wahrscheinlichkeit, dass du über genau deine Idee stößt, wenn du mal im Internet recherchieren würdest, ist extrem hoch. Mit extrem großer Wahrscheinlichkeit gibt es deine Lösung schon irgendwo. Vielleicht in etwas anders, aber im Großen und Ganzen gleich.

Es gibt sogar Investoren, die es ablehnen in Projekte Geld zu stecken, wenn es keine Konkurrenz da draußen gibt, die genau dasselbe Problem lösen. Warum? Na ja, die Wahrscheinlichkeit, dass es dann keinen Markt dafür gibt, ist extrem groß.

Du könntest auch die Tatsache, dass es Konkurrenz gibt als positives Zeichen betrachten: der handfeste Beweis, dass Kunden für die Lösung dieses Problems Geld bezahlen würden.

Und was gewinnst du damit deine Idee geheim zu halten?

Gehen wir mal davon aus, dass deine Idee genial ist und du unter kompletter Verschwiegenheit das Projekt mit einem Entwickler umgesetzt hast. Du gehst live. Und keiner weiß von deiner Idee und deiner App. Das heißt ab diesem Zeitpunkt ist deine Idee zwar öffentlich (die App ist ja draußen), aber keiner weiß was davon und kein Kunde weiß von deiner App. Also startest du erst jetzt bei 0 mit dem Marketing. Ist das nicht etwas arg spät?

Ja, du hast auch „Zeit gewonnen“, weil selbst wenn der Erste, der deine App findet, sie spontan auch selber nachbaut und kopiert, dann hast du einen Vorsprung. Den Vorsprung gibst du aber zu großen Teilen wieder auf, weil noch keiner deine App kennt und am Ende eben die Verbreitung auf dem Markt gewinnt und nicht wer zuerst da war.

Und ist dieser Vorsprung unaufholbar? Nein. Wie viele alt eingesessenen Firmen sind in den vergangenen Jahren von der Bildfläche verschwunden, weil neue Konkurrenten plötzlich aufgetaucht sind und den Markt erobert haben? In anderen Worten: Vorsprung ist keine Garantie für Erfolg. Vor allem, wenn du den Vorsprung nur damit gewinnst, dass du im dunklen Kämmerchen bist und keiner von dir weiß.

Und all das ist erst nur deine Seite der Medaille. Lass uns doch mal anschauen, was ich als Entwickler von der Thematik halte.

Entwickler wollen deine Idee nicht klauen

Wir sind einfach nicht daran interessiert. Wir bekommen genug Projektanfragen von äußerst motivierten und felsenfest überzeugten Gründern, dass die Idee einschlagen wird. Und wir wissen, wie oft es wirklich so ausgeht (selten). Und wir wissen, wie viel Arbeit es kostet eine App so zu vermarkten, dass sie sich wirklich trägt (viel). Die allgemeine Vorstellung, dass man einfach eine coole App baut und die dann einfach wie wild verkauft wird ist leider falsch.

Der Vertrieb und das Marketing einer App ist oft deutlich mehr Aufwand als die Entwicklung selber.

Jetzt gibt es aber ein Grund, warum wir Entwickler sind und keine Vertriebler oder Marketer. Warum? Weil wir eben unsere Zeit mit Entwickeln verbringen wollen. Wenn wir App-Ideen klauen würden, dann müssten wir auch später den Vertrieb und das Marketing übernehmen und hätten keine Zeit mehr fürs Entwickeln.

Also würden wir nicht mehr entwickeln. Das bedeutet auch, dass wir keine neuen Projekte mehr annehmen würden und somit auch keine Zeit für deines hätten.

Außerdem leben wir von unserem Ruf. Haben wir einen schlechten Ruf, dass wir Internes ausquatschen, Ideen klauen, Diebstahl begehen usw., dann gäbe es keine Folgeaufträge. Unsere Lebensgrundlage wäre weg. Eine App zu klauen und diese erfolgreich zu machen wäre mehr Arbeit für uns als dass wir uns einfach darauf spezialisieren noch bessere Entwickler zu werden.

Auch gibt es einen weiteren Punkt: Kann ein Entwickler ohne dich überhaupt die App bauen? Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich sehr hoch, dass die App nur in einem gewissen Kontext sinn ergibt. Dass die App für eine ganz spezielle Gruppe an Personen zugeschnitten ist für einen ganz bestimmten Anwendungsfall, den du eben einfach sehr gut kennst. Aber der Entwickler hat nicht dein Wissen. Er ist auf dich angewiesen, weil er sich in deinem Umfeld nicht auskennt. Er braucht dich und dein Wissen über das zu lösende Problem und auch über die Leute, die das Problem haben. Du kennst die Endkunden besser als der Entwickler. Das bedeutet auch, dass du der Schlüssel bist, um das Projekt nach vorne zu bringen.

Zusammenfassung

Also noch mal in kurz:

  • Gehe raus mit deiner Idee. Erzähle Leuten davon. Sammle Informationen und Vorschläge. Rede mit deinen Kunden und finde raus, ob die das so richtig cool finden oder was sie vielleicht noch lieber hätten. Nur so wird deine Idee noch besser.
  • Patente funktionieren nur in sehr technischen und speziellen Fällen und brauchen individuelle Rechtsberatung.
  • Geheimhaltungsverträge sind in diesem Kontext nur fragwürdig hilfreich.
  • Der gewonnene Vorsprung kann von jedem beliebigen Konkurrenten locker aufgeholt werden.
  • Am Ende gewinnt die beste Umsetzung und das beste Marketing. Nicht wer die Idee hatte und auch nicht wer zuerst auf dem Markt war.
  • Entwickler und Agenturen sind nicht daran interessiert Ideen zu klauen. Es ist nicht unser Geschäftsmodell. Wären wir im „wir klauen Ideen“-Business, dann hätten wir genug damit zu tun die geklauten Apps zu betreiben und zu vermarkten und hätten einen ziemlich schlechten Ruf und auch mehr als genug zu tun um neue Projekte anzunehmen.

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